Elbe i
Vorgeschichte
Probleme kann man haben - unglaublich.
Kehrt man Anfang Juni von der SPEZI zurück (okay, auf Umwegen),
hat man für Anfang September zugesagt, einen Vortrag zu halten,
und will man zwischendurch auch noch Familie, Freunde und Bekannte sehen,
kann es eng werden mit einer größeren Radtour.
Deutschlandrunde, mit geplant etwa 5.500 Kilometern? Knapp, kalkuliert man 500 Kilometer pro Woche.
Irland, mit circa 2.000 Kilometern weniger?
Auch nicht der Renner. Erst recht nicht, ersinnt man ein solches Vorhaben erst im Juli und will man nicht unter Zeitdruck starten.
Marokko? Nicht viel besser. Zudem fehlt weiterhin der Reisepass.
Elbe? Nun ja - vom Namen her eine andere Liga, aber - warum nicht?
Jahrelang zumindest führte die Route entlang des Flusses einschlägige Listen an und zählte zu den "Premiumradwanderwegen" -
was immer man darunter verstehen mag. Also: Elbe.
Lässt sich zudem kombinieren mit dem zugesagten Vortrag bei Frankfurt in der Manufaktur, in der mein fahrbarer Untersatz entstand,
ermöglicht es mir, Prag kennen zu lernen, und beschert mir vielleicht noch ein paar schöne Spätsommertage oder goldenen Herbst auf Rädern.
Losgehen soll es einmal mehr mit dem Liegerad, dem dreirädrigen.
Zelt, Kocher, Waschmaschine? Das Übliche.
Zeitrahmen? Ende offen - jedenfalls halbwegs. Anfang November sollte ich wieder zurück sein.
Da warten nicht nur die nächsten Vorträge.
Begegnungen? Geplant sind zwei. Nach fünf Jahren sollte ich Marcus wiedersehen.
Der Marcus, dem ich im Norden Italiens vor einem Café begegnete,
er in seiner Rolle als Astrophysiker auf dem Weg nach Bologna zu einer Tagung, ich halbwegs auf der Zielgeraden Richtung Köln,
und bei dem ich zusammen mit Ute ein paar Wochen später und der heimischen Haustür noch näher zu Gast sein durfte.
Desweiteren sind da noch Elke und Thomas - ein ebenfalls mit dem Radreisevirus infiziertes Pärchen.
Bislang kennen wir uns nur aus der Ferne, auch wenn Elke und ich eine Zeit lang für das gleiche Unternehmen tätig waren, doch das soll sich ändern.
Die beiden wohnen für mich hinter Nürnberg und quasi auf meinem Weg nach Tschechien.
Wie viele weitere Menschen ich kennen lernen darf? Bleibt abzuwarten.
Erlebnisse? Ebenso.
Ich freue mich auf das Elbsandsteingebirge mit seinen bizarren Felsen,
das Riesengebirge, über das ich vorsichtshalber nichts in Erfahrung bringe,
und einen Atemzug Seeluft an der Mündung des großen Flusses.
Darüber hinaus setze ich auf das Motto: dem Zufall eine Chance.
Was wäre schließlich ein Leben ohne Überraschungen ...
Reisetagebuch
Die nachfolgenden Einträge entstanden während der Reise.
Passt ein Satzende nicht zum Anfang,
hat sich ein falsches Wort eingeschlichen
oder fehlen Buchstaben, Punkte oder Kommas
oder sind diese in die falsche Reihenfolge geraten,
so mag es nach den Kilometern des Tages,
an Konzentration sowie Zeit und Muße für eine Korrekturlesung gemangelt haben und ich bitte um Nachsicht.
Wer Fehler findet, der mag sie behalten oder mir diese gerne mitteilen.
Ansonsten freue ich mich auch und gerade unterwegs über Mitleidsbekundungen, Durchhalteparolen, Tipps und Empfehlungen,
was ich mir auf keinen Fall entgehen lassen darf,
oder Anekdoten aus dem eigenen Leben, selbst wenn sie nichts mit dieser Tour zu tun haben.
Sollte während einer Tour die tägliche Berichterstattung mal auf sich warten lassen
– fehlende Kommunikationsinfrastruktur, leere Akkus oder Begegnungen mit netten Mitmenschen mögen die Ursache sein.
Nun aber: viel Spaß bei der Lektüre. Sollten beim Lesen Fragen aufkommen - fragen!
2024-10-04
31. Tag: 70 km Kilometer (Gesamt: 2342), 224 Höhenmeter, 52 Meter Höhenunterschied
Strecke: Hamburg (08:45) - Stade (17:45)
Wetter: leicht bewölkt, sonnig; 3 - 15°
Kaum wach kommt es mir vor als träume ich. Ein böser Traum, doch er ist real. Aus dem Fenster blicke ich in einen blauen Himmel, auf dem Bildschirm meines Smartphones in die Wetter-App. Die Zahlen lassen mir das Blut in den Adern gefrieren.
7 Uhr: 3°
8 Uhr: 4°
9 Uhr: 7°
10 Uhr: 10°
Augen noch mal schließen und fünf Stunden später wieder öffnen? Blöd, auch wenn mir meine Vermieterin versicherte, ich könne mir Zeit lassen. Bei hochgerechnet 6° trete ich vor die Tür. In der Sonne ist es erträglich, im Schatten bereue ich meine Entscheidung. Die warmen Worte mit meinem Gastgeber: sie lassen mich die Temperaturen ein wenig vergessen. Fünfzig Jahre lang sei er um vier Uhr aufgestanden, habe Obst, Gemüse und Blumen auf dem Großmarkt verkauft, nun will er nur noch seine Ruhe. Mit dem Wohnmobil durch die Lande fahren, wie sein Sohn? Nicht sein Ding. Wenn er reist, will er sich an gedeckte Tische setzen. Verübeln kann ich es dem Mann nicht, auch wenn ich mit ihm nicht tauschen möchte. Trotzdem - sechs Grad mit einer dünnen Shorts, unter der ich Beinlinge trage, die bei jedem Schritt rutschen? Auch nicht der wahre Jakob. Als ich die Tour startete ging ich davon aus, dass es Nachts nicht deutlich kühler wird als zehn Grad. Entsprechend plane ich meinen Tag geringfügig um. Bevor es zu Ole geht, einem ehemaligen Arbeitskollegen, den ich schon im Jahr zuvor im Norden Norwegens traf, der in Hamburg lebt und der sich für diesen Freitag nach dem Feiertag ein Brückentag gönnt, konsultiere ich den Outdoor-Ausstatter des Vertrauens, der auch in der Hansestadt eine Filiale betreibt. Um zehn Uhr öffnet man, gegen halb elf bin ich da, eine Viertelstunde später wieder draußen - mit einem neuen Beinkleid. Langbeinig, über dem Knie auftrennbar per Reißverschluss, angeblich strapazierfähig, definitiv aber wärmender als die Shorts, dessen Beine Zuhause liegen, die mehr Löcher hat als sie ursprünglich hatte und die mir ein halbes Dutzend Jahre lang diente. Führte mich der Weg zum Konsumtempel auf hervorragend ausgebauten Radwegen vorbei am Großmarkt, an der Hafen-City sowie an der Alster, so ist die Strecke über Landungsbrücken und Schellfischposten weniger erbaulich. Erst liefere ich mir mit Besuchermassen einen Slalomparcours, anschließend holpere ich über Kopfsteinpflaster. Ottensen und Othmarschen? Erfrischend "normale" Stadtteile, die nicht von Touristen überflutet sind und die den Eindruck erwecken, dort gehe es gesittet zu. Die zweieinhalb Stunden mit und bei Ole? Sie verfliegen und tun gut - nicht nur verpflegungstechnisch. Im wesentlichen schwärmen wir uns von Reiseerlebnissen seit unserer letzten Begegnung vor. Zwischenzeitlich schauen auch Oles Frau Jessie sowie Tochter Nele um die Ecke und es ist schön, auch die beiden wiederzusehen. Kurz nach zwei dann aber auch schon wieder die Verabschiedung. Sonne, blauer Himmel und 15 Grad wollen genossen sein. Mit einer Fähre setze ich über von Teufelsbrück nach Finkenwerder, lasse das Airbus Gelände links liegen und lerne das Alte Land kennen - wie Hamburg per Rad für mich eine Premiere, leider mit fiesem Beigeschmack. Auf einem holprigen Radweg löst sich ein Gestänge der Wetterschutzhaube, schleift kurz über den Boden, anschließend ziert ein Riss den transparenten Kunststoff. Nichts, was die Fahrt großartig aufhält oder beeinflusst, aber unschön und ärgerlich. Schon in Prag auf Kopfsteinpflaster rüttelte sich die Halterung lose, davor auch immer wieder mal, diesmal hinterlässt das Malheur Spuren.
Glück dann im Gegenzug mit einem Platz zum Übernachten. Wollte ich wenigstens die 70 Tageskilometer voll machen und Stade erreichen, so stelle ich dort um Viertel nach fünf fest, dass der nächste Campingplatz 17 Kilometer Luftlinie und wahrscheinlich anderthalb Stunden Fahrzeit für mich entfernt ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass mein Zelt noch ein paar Sonnenstrahlen zum trocknen abbekommen sollte ungünstig. Ein Blick auf die 1-Nite-Tent Karte erweist sich hingegen als Volltreffer. Keine Viertelstunde entfernt gibt es einen Gastgeber. Ich kontaktiere ihn und obwohl aktuell selbst unterwegs in Dänemark bin ich eingeladen, im Garten die Nacht zu verbringen. Strom, Wasser, Komposttoilette - alles ist vorhanden und kann genutzt werden. Ich bin begeistert. Dass für den nächsten Morgen zwei Grad und Nebel angekündigt sind? Stört mich einstweilen noch nicht. Dass es mit einer anderen Einladung nach Elmshorn nichts wurde? Schade, aber kann passieren - erst recht, wenn man sich dem Thema Übernachtung erst auf letzten Drücker widmet. Schön jedoch trotzdem, solche Angebote.
Ausrüstung
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