auf den Spuren von Ute & Dirk Prüter

"Köln - Formentera" transalp i

Kurzfassung

Vorgeschichte

„Ein Mann muss tun, was er tun muss.“ Kunstpause. Ute ist ganz angetan von dem Spruch, den sie da gerade von einer ihrer Freundinnen als Kurznachricht erhalten hat. Ich ahne bereits, was folgt. „Und eine Frau sagt ihm, was das ist.“, so in der Richtung hatte ich mir das vorgestellt. Respektloser Haufen, aber so sind sind sie – und doch irgendwie liebenswert.
Nichtsdestotrotz – muss ich mir Gedanken um mich machen? Bin ich anders, als die anderen Kerle? Nicht, dass ich davor Angst hätte oder dass ich den Spruch schlecht finde, aber der Nachsatz? Ginge es danach, wüchse im Garten ein grüner, kurz geschnittener Golfrasen, der Keller wäre aufgeräumt und die Wände im Haus wären frisch gestrichen. Das Problem dabei nur: die Liste ließe sich endlos fortsetzen – und wo bliebe Mann dabei?
Entsprechend mutiert bei uns der Garten eher zum Urwald, im Keller liegt unten, was am längsten nicht mehr benötigt wurde, auf den Wänden ließen sich unterschiedliche Weißtöne bewundern, würde man probeweise einen Pinselstrich frischer Farbe auftragen, und so weiter. Statt dessen sitze ich nach Feierabend auf dem Fahrrad, um dem Bewegungsdrang nachzukommen, hocke Abends vor dem Bildschirm, um zu schauen, welche neuen Wege man unter die Räder nehmen könnte, und treibe mich im Urlaub auf dem Wasser herum, was ja auch nicht unwichtig ist. Man(n) will sich ja nicht einseitig beschäftigen, und wozu gibt es Kajaks, Segel und Surfbretter.
Überhaupt – ginge es nach mir, wäre ich Ende April Richtung Island aufgebrochen. Mit dem Rad, für circa acht Wochen. Oder neun, oder zehn. Einer An- und Abreise mit der Fähre hätte ich gegenüber der mit dem Flieger eindeutig den Vorzug gegeben. Die Erkenntnis der beiden voran gegangenen mehrwöchigen Reisen, dass es mir dort am besten gefiel, wo am wenigsten los war, und davon verspreche ich mir auf Island eine Menge, sowie Reiseberichte wie der von Hans-Jürgen, dem in Tasmanien lebenden Hammer (also dem Herrn, der zuvor in Hamm/Westfalen lebte), den wir auf dem Weg zum Nordkap begegneten, ließen den Wunsch keimen, die Insel im rauen Nordatlantik selbst in Augenschein zu nehmen, doch dann gab es da dieses Projekt des Hauptsponsors, das sich nicht mit dem eigenen Vorhaben in Einklang bringen ließ. Hat man halt davon, wenn man finanziell nicht unabhängig ist. Eigene Schuld, sozusagen. Aber aufgeschoben heißt ja nicht aufgehoben.

So wuchs die Idee nach einer Alternative zur Dezimierung der eigens für ausgedehntere Reisen angesparten Überstunden. Eine erneute Tour nach Formentera. Formentera? Welch Überraschung! Gab es das nicht bereits?
2011, auf direktem Wege, oder 2013, mit einem Schlenker zunächst gen Norden?
Eine ebenfalls im Hinterkopf bestehende „große Route“ mit mindestens 6000 Kilometern scheidet aus terminlichen Gründen aus. Es sollte schon die Zeit der langen Tage und lauen Nächte genutzt werden und sich mit Utes Jahresurlaub kombinieren lassen, der alljährlich in die zweite Hälfte von Nordrhein Westfalens Sommerferien fällt. Da für meine einzige und somit Lieblingsfrau zunächst mehrmonatige Touren ebenso wenig in Betracht kommen wie Routen mit größerer Anzahl an Höhenmetern heißt dies, das der Radelei drei Wochen gemeinsamer Strandurlaub auf der Insel des Vertrauens voraus gehen. Wie es der Zufall will, führt uns der Weg ebenfalls nach Formentera, befindet sich doch dort die Ferienresidenz, die wir unser eigen nennen dürfen.
Da mir zudem daran gelegen ist, nicht unbedingt am Tag nach Erreichen des Ziels aus eigener Kraft wieder mit der Arbeit zu beginnen, sondern statt dessen wenigstens zwei Wochen die Beine hoch zu legen oder Sand zwischen den Zehen rieseln und Eindrücke sacken zu lassen, bleiben von einer zwölfwöchigen Auszeit gerade noch sieben Wochen für das Pedalieren – wahre Probleme also!
Bei einem Tagespensum von 70 Kilometern, einem Wochenschnitt von somit etwa 500 Kilometern, komme ich gemäß Adam Riese auf insgesamt rund 3500 Kilometer. Mit ein wenig Einsatz mehr mögen 4000 möglich sein, aber dann sollte auch so langsam die Schallmauer erreicht sein – es soll ja nicht darum gehen, Kilometer zu fressen oder Rekorde aufzustellen. Dafür sind andere zuständig.
Unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen fällt meine Wahl auf eine Fahrt über die Alpen. Schon mehrfach stieß ich in diesem Zusammenhang auf eine alte Römerstraße, die sich für gemäßigte Reiseradler anbietet. Keine übermäßigen Steigungen, über weite Strecken frei vom motorisierten Verkehr und mit einer geeigneten Infrastruktur, was Übernachtungen und Verpflegung anbelangt. Spätestens von Füssen aus geht es in die Berge, und ob man nach der Bewältigung von Fern- und Reschenpass den Weg Richtung Gardasee oder Venedig einschlägt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Den Wegbereitern waren wohl beide Ziele wichtig. Der Name dieser antiken Piste: Via Claudia Augusta. Stellt sich zunächst also nur noch die Frage: wie gelange ich nach Füssen, und wie von Tirol aus zu den Balearen?
Nach einigen Recherchen entschließe ich mich, vorhandene Fernradwege nutzen zu wollen, was die Ausarbeitung von Routen für das Navi vereinfacht, da sich im Netz entsprechende Daten finden. Zwar deckt sich nicht alles, was ich mir auf den Rechner lade, mit meinen Vorstellungen, abschnittweise suche ich mir dann doch meine eigenen Strecken zusammen, wenn sich stärker befahrene Straßen vermeiden lassen, aber im Großen und Ganzen bin ich mit der Menge an direkt verwertbarem Material zufrieden. Letztendlich gelange ich zu folgendem Verlauf:

  • von der Haustür in Köln aus über die Felder zur Sieg (20 km),
  • D-Route 4, die Mittelland-Route, über Siegen und Marburg bis an die Fulda (283 km),
  • D-Route 9, die Romantische Straße, über Fulda, Würzburg, Rothenburg ob der Tauber, Donauwörth bis Augsburg (411 km),
  • Via Claudia Augusta, über Meran, Bozen, Treviso nach Venedig (751 km),
  • Eurovelo Route 8, die Mittelmeer-Route, oder das, was ich dafür halte; den Po hinauf bis Turin, hinunter an das Mittelmeer bei Monaco, über Nizza, Cannes, Béziers, Narbonne bis an die Pyrenäen, auf deren spanischer Seite weiter bis Barcelona und, wenn sechs Wochen bis dahin nicht deutlich überschritten sind, durch das Ebrodelta weiter bis Dénia, wo spätestens der Umstieg auf die Fähre nach Ibiza beziehungsweise Formentera erfolgt (Italien: 922 km; Frankreich: 689 km; Spanien: 750 km). Leider geben die Eurovelo Seiten im Internet noch immer keine „offizielle“ Version ihres Streckennetzes her (Stand: Juli 2015), so dass ich hier und da meine eigene Interpretation anhand attraktiv erscheinender Wege treffe.
Zähle ich alles zusammen, sollten es insgesamt ohne Um-, Ab- und Irrwege gut 3800 Kilometer werden, dass heißt, ich liege nur 10 Prozent über dem, was mit 70 Kilometern pro Tag möglich sein sollte. Bei 10 bis 20 Kilometern mehr pro Tag sollten folglich ein Tag für die Besichtigung Venedigs heraus springen, mit eigenen Augen gesehen habe ich die Stadt bislang noch nicht, und Reserven für Unvorhergesehenes oder Tage mit längeren beziehungsweise steileren Passagen bleiben, ohne dass die komplette Zeitplanung hinfällig wird. Die Anzahl Höhenmeter im Vorfeld zu recherchieren erscheint mir zu ungenau und aufwändig, entsprechend lasse ich mich überraschen, was da auf mich zukommt und das Navi jeweils am Ende des Tages anzeigt beziehungsweise was sich bei Erreichen des Ziels in Summe ergibt.

Was die Ausrüstung betrifft, so kann ich aus dem Fundus schöpfen, der sich im Laufe der letzten vier Jahre angesammelt hat. Lediglich hinsichtlich des Fortbewegungsmittels bin ich lange Zeit unschlüssig. Nehme ich das Reiserad, das ich mir eigens für Island angeschafft habe, mit den breiteren Reifen für „rustikaleres“ Gelände, oder gebe ich dem noch neueren Liegedreirad den Vorzug, das entspanntes Dahingleiten verspricht, ohne dass Handinnenflächen oder Sitzfleisch malträtiert werden; hat auf jeden Fall seinen Charme. Eine „Proberunde“ von Dortmund nach Köln ist es nicht, die mich von dem neuen Gefährt abbringt. Zumindest nicht die Bewältigung der auf dem Wege befindlichen Höhenunterschiede. Das eine oder andere Mal mag ein Zweirad vorteilhafter sein, mit dem ich im Wiegeschritt vielleicht etwas zügiger voran gekommen wäre, doch es waren auch Hügel dazwischen, die ich bei sonst aufrechter Fahrweise schiebe, wohingegen ich den Sitz des Dreirades nicht verlasse. Und das eine Mal, das das Hinterrad auf dem Waldboden durchdrehte, wäre ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch vom Zweirad abgestiegen. Ausschlaggebend war eher der Singletrail, der nur Schulter breite Trampelpfad, auf den ich mich verfahren hatte und die Tatsache, dass ich im Zuge der Feinplanung einige Wege in Frankreich und Italien einbezog, die ähnlich geartet sein könnten, verstehe ich in der OSM Karte den Hinweis „Pfad, MTB (also Mountainbike) tauglich“ richtig. Auch vermeide ich mit meiner Entscheidung weitere Investitionen, die entweder in Liegerad-Packtaschen oder in eine Lowrider-Halterung für das Trike zu tätigen gewesen wären. Dafür werde ich aber den faltbaren Campingstuhl im Gepäck haben, auf den ich bei Verwendung des Fahrzeugs mit „integrierterm“ Sitz hätte verzichten können; ein bisschen Luxus bin ich mir durchaus wert. Es bleibt also das bereits bekannte Für und Wider und die Bestätigung der Weisheit, dass das Leben ein Kompromiss ist.
Neben der Komfort–Sitzgelegenheit gibt es noch eine knappe Hand voll weiterer Dinge, die neu in die Taschen wandern. Zum einen wäre da das Einmannzelt, verspricht es doch, auch ohne abgespannt werden zu müssen, frei stehen zu können, womit mir Probleme erspart bleiben sollten wie in Portugal, wo ich zwei Jahre zuvor auf sandigem Boden meiner Behausung nach einem Windstoß hinterher laufen konnte, bevor es an das Einsammeln der heraus gerissenen Heringe ging. Darüber hinaus werden ein Waschbeutel sowie der Wassersack mit Duschaufsatz Leerräume füllen, auf dass die tägliche Hygiene nicht leide, auch wenn ich mal einen Tag ohne Campingplatz auskommen muss oder will; bleibt mir nur, mich rechtzeitig um Wasser zu kümmern.
Keinen Platz im Gepäck beansprucht der vom ADFC angebotene Fahrrad-Pannenschutzbrief. Ähnlich wie das Pendant von der entsprechenden Interessengemeinschaft für Automobilisten verspricht er Europa weite Hilfe im Bedarfsfall rund um die Uhr. Mit 20 Euro zuzüglich der 60 Euro Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft im Verein und für alle Haushaltsmitglieder geltend ein überschaubarer Betrag für etwas, auf das hoffentlich keiner zurückgreifen muss. Für den Zweifelsfall aber verspreche ich mir reduzierte Mühen und Kosten – Abenteuer „light“ oder „2.0“, sozusagen.
Bezüglich der Technik greife ich auf ein neues Ladegerät zurück, das den Strom vom Nabendynamo abgreift, ansonsten bleibt alles beim Alten: der Pufferakku, um die während der Fahrt gewonnene Energie zu speichern, das Navigationsgerät, um der geplanten Route folgen und die gefahrene Strecke aufzeichnen zu können, eine Stirnleuchte, um auch Nachts nicht im Dunkeln zu stehen, ein USB-Ladegerät zur "Betankung" der Akkus für die beiden zuvor erwähnten Geräte, die Fotokamera sowie das Smartphone für den Internetzugang, die Unterhaltung in Form von Musik und E-Books, als „externes“ Gedächtnis mit seiner Diktiergerätsfunktion – ach ja, und zur telefonischen Erreichbarkeit, sofern Mobilfunknetze es zulassen.

Am 17.7. ist es dann soweit. Der letzte Arbeitstag fällt mit dem Abflugtag Richtung Formentera zusammen. Die „offenen Baustellen“ in der Firma sind nach bestem Wissen und Gewissen in die Hände der Kollegen übergeben, der jüngste Sohn räumt das Feriendomizil und die wesentlichsten Vorbereitungen für die in drei Wochen starten sollende Radtour sind abgeschlossen. Konditionelle Fortschritte verspreche ich mir von dem Strandurlaub nicht. Es dürfte eher weniger geradelt werden als Zuhause in und um Köln; Einkaufsfahrten ins Dorf beschränken sich auf 5 Kilometer, zum „Sommerstrand“, an den Abschnitt vor der Apartment-Anlage Voga-Mari, sind es auch nicht mehr als 15 Kilometer hin und zurück, mit viel gutem Willen, und die 170 Meter hoch auf die Mola, die Hochebene der Insel, rauf zum Hippiemarkt, werden wahrscheinlich nur zwei mal abgestrampelt werden, wobei auch dorthin nur auf Umwegen jeweils 40 Kilometer zu erreichen sind.
Ob ich ersatzweise in die Pedalen des Tretantriebs des Kajaks trete? Man wird sehen. Bläst der Wind kräftig genug, und davon gehe ich aus, kommen vorzugsweise die beiden Ausleger rechts und links des Rumpfes, auf dem ich sitze, sowie das Segel zum Einsatz. Oder ich übe mich im Windsurfen - wäre ja auch mal ein Fortschritt wenn mir der Richtungswechsel gelänge, ohne dabei abzutauchen.
Gespannt bin ich jedenfalls darauf, wie sich das Zeitgefühl entwickelt. Wird die zweite Urlaubshälfte wieder deutlich schneller verstreichen als die erste? Werde ich den Abflugtag diesmal herbeisehnen, anstatt ihm entgegen zu trauern? Fragen, die die Welt bewegen – zumindest meine kleine ...

Reisetagebuch

Die nachfolgenden Einträge entstanden während der Reise. Passt ein Satzende nicht zum Anfang, hat sich ein falsches Wort eingeschlichen oder fehlen Buchstaben, Punkte oder Kommas oder sind diese in die falsche Reihenfolge geraten, so mag es nach den Kilometern des Tages, an Konzentration sowie Zeit und Muße für eine Korrekturlesung gemangelt haben und ich bitte um Nachsicht. Wer Fehler findet, der mag sie behalten oder mir diese gerne mitteilen.
Ansonsten freue ich mich auch und gerade unterwegs über Mitleidsbekundungen, Durchhalteparolen, Tipps und Empfehlungen, was ich mir auf keinen Fall entgehen lassen darf, oder Anekdoten aus dem eigenen Leben, selbst wenn sie nichts mit dieser Tour zu tun haben.
Sollte während einer Tour die tägliche Berichterstattung mal auf sich warten lassen – fehlende Kommunikationsinfrastruktur, leere Akkus oder Begegnungen mit netten Mitmenschen mögen die Ursache sein.

Nun aber: viel Spaß bei der Lektüre. Sollten beim Lesen Fragen aufkommen - fragen!

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2015-09-04

noch mal gut gegangen
Bild 1/10

26. Tag: 78 Kilometer (Gesamt: 2528); 656 Höhenmeter; 2040 Meter max. Höhe
Strecke: Colle-di-Tenda (09:30 Uhr) - Ventimiglia (17:15 Uhr)
Wetter: unterschiedlich bewölkt, 24°

Den Schlafsack zu verlassen kostet mich an diesem Morgen Überwindung. Es ist kalt, trotz langer Unterwäsche. Hätte ich eher gewusst, was mich erwartet, hätte ich eine Lage Klamotten mehr angelassen, die ich am Vorabend noch trug und nun wieder überziehe. Nachts hatte ich noch mal einen kurzen Blick nach draußen geworfen und war fasziniert von dem Sternenhimmel über mir. Gerne hätte ich mir das ganze länger angeschaut, doch der eisige Wind hatte mich abgehalten. Dieser ist am Morgen weg, als ich um 07:00 Uhr auf ein Thermometer schaue. Die Quecksilbersäule steht in Höhe der 5° Markierung. Ich beschließe, erst einmal alles gut eingepackt zu erledigen, was zu tun ist, in der Hoffnung, dass die Sonne durch kommt, bis ich mich in meine Radler Kluft werfe, die größtenteils noch klamm auf der Leine hängt. Meine Rechnung geht auf. Die Sonne setzt sich mehr und mehr durch, ich erlebe ein beeindruckendes Farbspiel auf den Gipfeln, die mich umgeben, und als gegen 08:30 Uhr das Zelt in der Packtasche verschwunden ist, sind T-Shirt, Socken und Co auch gar nicht mehr sooo feucht. Auch die Hütte, vor der ich campierte, hat wieder geöffnet, ich beschließe, nach meinem kargen Frühstück, einem Brötchen mit Käse vom Vortag, mir noch einen Cappuccino zu gönnen, wobei ich mit der Bedienung ins Gespräch komme. Wir unterhalten uns in englisch, der Akzent der Dame hinter dem Tresen klingt gar nicht so südländisch, und als ich nachhake erfahre ich, dass die Gute aus Newcastle kommt. Lag auch schon mal auf dem Weg. Auf der anderen Seite bin ich nicht der erste Radreisende, der sich zu ihr verirrt hat. Hätte mich auch überrascht. Sie erinnert sich unter anderem an einen weltreisenden Kanadier, der mit dem Rad in Neuseeland gestartet war, einen Wanderer, sowie jemanden, der mit einem seltsamen Vehikel den Berg herauf gefunden hat. Ein Dreirad, in dem man fast liegt, mit einem Verdeck, das über und über mit Solarzellen besetzt war. Sie an, als ob ich so etwas in der Richtung nicht in einem Vortrag auf der Spezi gehört hätte.
Als ich aufbreche, ist es 09:30 Uhr. Der Himmel über mir ist blau, es folgen noch einige Höhenmeter auf holpriger Piste, dann dürfte der höchste Punkt der Tour erreicht sein - gute 2000 Meter. Die Landschaft ist umwerfend. Alle paar Meter bleibe ich stehen, um auf den Auslöser zu drücken. Die Ruhe hier oben, nur einige wenige Wanderer sind unterwegs, die Hänge und Gipfel, die wärmenden Strahlen der Sonne, trotz frischer Luft - ein Hochgenuss. Vögel zwitschern, ein paar dicke Brummer summen über das Gras, Rehe, die vor mir Reißaus nehmen, und wenn ich nach unten blicke, enge Serpentinen und ein Stau. Nur 10 Kilometer zieht sich der Höhenweg, der sich wegen meiner noch eine ganze Weile hätte fortsetzen können. Vor dem Abzweig runter nach Casterino entdecke ich so etwas wie einen Platz zum Picknicken. Er ist zwar bereits belegt, zwei Autos stehen dort, aber ich will mir noch eine Portion Müsli einverleiben. Die dort bereits Verweilenden wie auch ich staunen nicht schlecht als wir feststellen, dass wir Landsleute sind. Aus Berlin beziehungsweise Umgebung kommen die drei Herren, die sich hier für längere Zeit niedergelassen haben und in Tagestouren die Gegend erkunden. Das angebotene Bier lehne ich dankend ab, den Stuhl nehme ich aber gerne an - brauche ich den eigenen nicht auszupacken. Wir unterhalten uns noch ein wenig, dann bricht das Trio mit einem der Wagen auf, den ich später am Wegesrand noch einmal entdecke.
Die ersten Kilometer talwärts gestalten sich anstrengender als vermutet. Der Untergrund ist lose und bei waagerechten Kurbeln, den Hintern fast über dem Gepäckträger und mit angezogenen Bremsen holpere ich voran, ein wenig besorgt, dass Rad und Taschen den Parcours unbeschadet überstehen. Gedanken an Arbeitskollegen werden wach, als mir unterwegs Mountainbiker begegnen. Kollegen, die von der Tour zum Tegernsee begeistert waren, hatten oder haben einen weiteren Ausflug geplant, der im Harz stattfinden soll. Bestimmt auch ein Brocken, aber wann genau es los geht, oder ging, ich habe es vergessen.
Ein Trupp Motorradfahrer weckt die nächsten Erinnerungen. Ein Freund hat das gleiche Hobby. Ihm würde die Strecke wahrscheinlich auch gefallen, wenngleich bei der höheren Geschwindigkeit die landschaftlichen Reize untergehen dürften, ich würde da eher mit Wanderern tauschen, die dürften noch mehr von der Natur haben.
Casterino, auch wenn es nicht so klingt, ist der erste Ort in Frankreich, der auf dem Weg liegt. Es gibt nur wenige Häuser, ein paar Restaurants, Pensionen und Hotels sowie den jungen Mann, der mir mit zwei Eseln fast im Wege steht. Ob er auch Reisender ist? Nein, Einheimischer, der die Leute auf der Alm mit Nachschub versorgt.
Nach kurzem Stopp geht es weiter, nun auf glatterem Asphalt. Ich lasse das Rad rollen, nur vor den Kurven wird gebremst. Kilometer fliegen dahin. Es geht viel zu schnell, wobei mir durch den Kopf geht, dass ich den Weg in umgekehrter Richtung nicht fahren möchte – er kommt mir deutlich steiler vor. Vielleicht aber auch einfach nur ein Eindruck aufgrund der höheren Geschwindigkeit. Nach einem Staudamm am Weg mit Saint-Dalmas-de-Tende der nächste Ort. Im Vorbeifahren stelle ich fest, dass die Preise für eine Mahlzeit deutlich über denen in Italien liegen, also nur ein paar Bananen aus dem Supermarkt, ein Anruf zu Hause, dass weiterhin alles in Ordnung ist, ab Limone-Piemonte gab es nämlich keinen Funkkontakt mehr für das Mobiltelefon, dann folge ich auf einer Landstraße der Roya (der Fluss trägt im französischen wie italienischen den Artikel „la“). Die Kreuze, Blumensträuße und Bilder Verunglückter am Straßenrand fördern mal wieder nicht gerade das Vertrauen in die Strecke, bei einem Überholmanöver kommt mir ein Autofahrer auch bedrohlich nahe auf meiner Spur entgegen. Am Rand nehme ich teils bizarre Formationen an Felswänden wie im Flussbett wahr, doch mit dem Verkehr im Nacken, bei fehlendem Seitenstreifen und durch teils enge Schluchten sowie heftigem Gegenwind fehlte mir der Mut, stehen zu bleiben und zu fotografieren.
Nach circa 30 Kilometern bin ich froh, die Piste auf italienischem Boden wieder zu verlassen und dem ehemaligen Straßenverlauf zu folgen, bevor man den Verkehr durch einige Tunnels lenkte. Jetzt, wo ich die Möglichkeit habe, schlängelt sich das Wasser verhältnismäßig unspektakulär durch das Tal. Auch ein Verpflegungsstopp bleibt mir erspart. Die Küchen der Restaurants haben geschlossen, und so erreiche ich Ventimiglia und damit die Mündung der Roya gegen 15:30 Uhr. Zunächst gelange ich auf verworrenen Pfaden durch Gegenden, die man nicht gesehen haben muss, dann liegt das Meer wieder vor mir. Anstatt der Adria diesmal im weiteren Sinne die Bucht von Genua, wobei die Stadt 120 Kilometer Luftlinie entfernt ist. San Remo mit 20 Kilometern in östlicher Richtung ist der für mich nächste Ort mit bekannterem Namen; nach Nizza, über die Autobahn, gen Westen, sind es keine 50 Kilometer mehr, dazwischen liegt mein nächstes Etappenziel - Monaco.
Bevor ich mich jedoch zu den Reichen und Schönen geselle, zwischen denen ich natürlich nicht fehlen darf, als Kontrastpunkt, sozusagen, verbringe ich eine letzte Nacht in Italien. Auf einem Campingplatz. An sich soll ich 16 Euro zahlen, doch ohne zu Feilschen reduziert sich der Betrag um 20 Prozent. Es folgt noch der Besuch einer Pizzeria, der mich insofern etwas enttäuscht, als dass ich mit meiner Wahl eines „San Petro“ Fisch Gerichtes etwas anderes erwartet hatte als die frittierten und panierten Fischstückchen, die man mir auf einer Schieferplatte serviert. Einer meiner Söhne, der den Abend auf Formentera ankommen sollte, könnte im Sa-Platjeta am Strand sich da schon eher über das freuen, was ich vor Augen hatte, aber wenn alles nach Plan läuft, ist das Ziel der Reise ja auch gar nicht mehr sooo fern, wobei nichts überstürzt werden soll.


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Ausrüstung

Rad + Zubehör

  • Koga Worldtraveller 29 bereift mit Schwalbe Marathon Plus
  • 1 Packtasche Ortlieb Rack Pack (31l)
  • 1 Paar Packtaschen Ortlieb Back Roller (2 x 20l)
  • 1 Paar Packtaschen Ortlieb Front Roller (2 x 12,5l)
  • 1 Lenkertasche Ortlieb Ultimate 4 (6l)
  • 1 Ladegerät Busch & Müller E-WERK
  • 1 Fahrradschloss Abus Bordo X-Plus 6500/85 sowie ein Stahlseil Abus Cobra zur Sicherung des Rades
  • 1 Kabelschloss Abus Globetrotter 202/90 zur Sicherung des Gepäcks
  • 1 Spanngurt a 1.5 m
  • Werkzeug, Flickzeug und Ersatzteile (u.a. Schläuche, Speichen, Bremsbeläge, Kettenschlösser, Kettenöl, kleine Doppelhub Luftpumpe)

Camping

  • Zelt Hilleberg Soulo + Footprint + 5 Sandzeltanker
  • Isomatte Therm-a-Rest ProLite Plus large sowie Reparaturflicken
  • Kopfkissen Therm-a-Rest Compressible Pillow
  • Helinox Klappstuhl
  • Daunen-Schlafsack Meru Kolibri
  • großes und kleines Microfaser Handtuch sowie Waschlappen
  • Ortlieb Faltschüssel, Wassersack + Duschvorsatz
  • Scrubba Waschsack (Outdoor "Waschmaschine")

Bekleidung

  • Kappe
  • T-Shirts
  • Pulli
  • Slips
  • Hosen
  • Socken
  • 1 Paar Turnschuhe, Sandalen
  • Badehose
  • Weste (Windbreaker)
  • Multifunktionstuch (Buff)
  • Regenbekleidung (Jacke, Hose, Gamaschen)
  • Mütze
  • 1 Paar Fahrrad Handschuhe (die ohne Fingerspitzen)
  • Fahrradhelm, Warnweste

Technik

  • 1 Netbook Asus eee R101
  • 1 GPS Gerät Garmin etrex Vista HCx mit Kartenmaterial OpenFietsMap (s.u.)
  • 1 Kamera Panasonic Lumix FZ38
  • 1 Smartphone Samsung Galaxy S3 mini mit deutscher Prepaid Karte
  • 1 Sanyo eneloop USB-Ladegerät MDU01 zum Aufladen von 2 AA bzw. AAA Akkus
  • 1 POWERTRAVELLER Minigorilla Ladegerät mit Adaptern für die zuvor genannten Geräte
  • 1 Stirnleuchte
  • Ersatzakkus für Navi & Taschenlampen

Sonstiges

  • Kulturbeutel mit Zahnbürste, Zahnpasta, Shampoo, Rasierapparat/Haarschneidemaschine
  • Sonnenbrille, Lesebrille (man ist ja nicht mehr so ganz jung)
  • Armbanduhr
  • Klappschaufel, Toilettenpapier
  • 3m Seil und Wäscheklammern
  • 1 Rolle (5m) Duck Tape, handvoll Kabelbinder

Route

Kurzfassung

Vorgeschichte

Reisetagebuch

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  • 8-2015
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  • So
  • 9-2015
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  • Sa
  • So

Ausrüstung

Links